von Nathalie Sequeira
Jetzt, da der Frühling sich entfaltet, sind alle schon voller Vorfreude in den Startlöchern, um ihren Garten für die kommende Gartensaison vorzubereiten.
Allerdings sind dabei viele der gängigen Praktiken eher schädlich für die Gesundheit des Bodens und in der Folge für die erhoffte Erntequalität, da dadurch das Boden-Ökosystem - das Netzwerk der vielen kleinen Mithelfer, die hauptsächlich für das Gedeihen der Pflanzen verantwortlich sind – beeinträchtigt wird.
Sorgen wir aber dafür, dass unsere Böden voller Leben sind, bekommen wir im Gartenalltag gleich mehrere Vorteile:
· Weniger gießen: die Bodenstruktur wird locker, nimmt Wasser auf und speichert es viel länger
· Weniger jäten: v.a. frühsukzessionelle und pfahlwurzelnde Beikräuter bleiben aus, da ihre Aufgabe bereits erledigt ist
· Weniger Kümmerei: Pflanzen sind weniger anfällig für Krankheiten und Schädlingsbefall
· Mehr Ertrag: da die Pflanzen weniger Stress haben, können sie sich voll entfalten
· Mehr Nährwert: unterstützt durch das Nahrungsnetzwerk des Bodens stehen Pflanzen viel mehr differenzierte Nährstoffe (z.B. Spurenelemente) zu Verfügung, die sie in ihren Aufbau integrieren können, und sie sind besiedelt mit den Mikroben, die wir für den Erhalt unseres eigenen Mikrobioms benötigen
Die Natur hat in Jahrmillionen einen vielfältigen Nahrungskreislauf für gesundes Pflanzenwachstum entwickelt – vertrauen wir auf diese Weisheit!
Unsere Aufgabe dabei ist lediglich, die Bedingungen dafür zu schaffen und zu erhalten. Dies können wir bereits mit wenigen Handgriffen in die Wege leiten:
1. Lockern statt wenden
Ein gesundes Bodensystem besteht aus mehreren Schichten, jede mit ihren eigenen Bewohnern, die mit ihrem Tun eine feinkrümelige Struktur aufbauen.
Diese Struktur lässt Luft in den Boden, damit die aeroben Kleinorganismen – deren Stoffwechselprozesse genau die Nährstoffformen erzeugen, die Pflanzen für gesundes Wachstum benötigen - die Überhand behalten können. Sie erlaubt tieferes Wurzelwachstum, das Eindringen von Niederschlägen und das Halten des wertvollen Nass vor Ort als Speicher.
Bodenbearbeitung beschädigt in jedem Fall diesen Aufbau, indem z.B. Pilzmyzel zerhackt wird und Regenwurmtunnel zerstört werden. Außerdem führt ein Überschuss an Sauerstoff, der z.B. beim Wenden in den Boden gebracht wird, zu einer bakteriellen Blüte, die sehr viel Sauerstoff verbraucht in einem Boden, der nun keine gute Belüftung mehr hat – und daher schnell ins Anaerobe kippt und die Bedingungen für Schädlingsausbrüche schafft. Daher ist jede Bodenstörung auf ihren Nutzen zu prüfen: sie sollte auf jeden Fall mehr helfen als schaden!
Wenn z.B. der Boden in einem eher verdichteten Zustand ist, kommen wir nicht umhin, ihn eine Zeitlang noch zu lockern und belüften, um die Bedingungen zu schaffen, unter denen die aeroben Gemeinschaften gedeihen und eine echte, selbsterhaltende Bodenstruktur aufbauen können.
Dies geht am schonendsten mit Grabgabel oder Grabel. Mit beiden wird nur in den Boden gestochen, Gabel hin und her gekippt, und fertig. Unerwünschte Beikräuter können im Anschluss, bei ausdauernden Arten evtl. unter Zuhilfenahme eines Unkrautstechers, viel leichter ausgejätet und die oberste Schicht fürs Saatbett geglättet werden.
2. Bodenschutz statt nacktem Boden
Um die geschaffene Belüftung des Bodens zu erhalten, braucht er im Anschluss unbedingt einen Schutz vor den Elementen. Die Natur mag keinen nackten Boden, und wird dafür sorgen, dass dieser so schnell wie möglich bedeckt wird - meist mit schnellwachsenden Pionieren, die unter uns Menschen als unerwünschte Unkräuter gehandelt werden!
Denn bei nacktem Boden
· Erzeugt der Aufprall von Regentropfen Verdichtung an der Oberfläche, die das Eindringen von Wasser in den Boden verhindert. Anstatt die Pflanzen zu versorgen fließt es ab und führt zu Erosion
· Übertragen sich Hitze und Kälte unmittelbar in den Boden und belasten die Pflanze, die statt zu wachsen sich andauernd an die wechselnd-widrigen Bedingungen anpassen müssen
· Trocknet der Boden durch Verdunstung viel schneller aus
Deswegen ist das Bedecken des Bodens ein zentrales Element einer guten Fürsorge, am besten mit Methoden, die von der Natur abgeschaut sind: Mulch!
In der Natur fallen Pflanzenrückstände genau dorthin, wo sie gewachsen sind, und bilden eine Schicht (die auch relativ dünn sein kann!), die Niederschläge abfedert und den Boden mit leicht erschließbaren Nährstoffen versorgt.
Als Mulch eignen sich nebst Heu, Herbstlaub, oder gemischtem Häckselgut auch die Pflanzenrückstände der dort gewachsenen Kulturpflanzen und der ausgejäteten Unkräuter.
Auch die Wurzelballen können als Mulch fungieren, wenn die Erde gut ausgeklopft wird.
Und sogar Wurzelunkräuter können zu Mulch werden, wenn sie auf einer bereits bestehenden Mulchschicht (also ohne Bodenkontakt!) dünn ausgebracht werden, wo sie von der Sonne vollends getrocknet werden, somit nicht mehr austreiben können, und stattdessen als Nährstoffquelle für das Bodenökosystem zu Verfügung stehen.
Dass dabei auch Samen in den Boden kommen ist nicht schlimm: einerseits können Lichtkeimer aufgrund der Mulchschicht nur vereinzelt austreiben, andererseits sind dennoch keimende Unkräuter ganz leicht mit dem Unkrautstecher auszujäten, da der bedeckte Boden locker bleibt. Und sie sind zugleich willkommene Aufstockung der Mulchschicht! Warum umständlich von außen einbringen, wenn die Ressource direkt vor Ort, ganz von selbst, entstehen kann?!
Das ist auch die Leistung, die Gründüngungen erbringen: sie bedecken rasch den Boden, und können dann als Mulchschicht abgeschnitten werden.
Eine weitere Art, lebendenMulch zu nutzen, ist die Förderung niedrigwachsender Beikräuter-Gemeinschaften mit Arten wie Gundelrebe, Ehrenpreis, Vogelmiere, Gundermann, Veilchen, Scharbockskraut, Hungerblümchen, in frühen Entwicklungsstadien auch Schaumkraut, Portulak…. Nektar- und pollensuchende Wesen freuen sich über das vielfältige Angebot. Und viele davon sind auch für uns vitaminreiche Nahrungsergänzung, bringen Vielfalt in Salate und verfeinern Saucen und Suppen, ganz abgesehen von der Augenweide, die sie uns bieten.
Bei Bepflanzung wird die Grünschicht an den Pflanzstellen so weit entfernt, dass die Kulturpflanzen aufwachsen können, bevor sich die Grünschicht wieder schließt. Eine Pflanzrille sollte z.B. ca. 10cm breit sein, um dies zu gewährleisten.
Diese Dauerbegrünung eignet sich eher für Kulturen, die über die Grünschicht hinauswachsen -z.B. Mais, Getreide, Sellerie, Rosenkohl - für ausdauernde Arten (Sauerampfer, Fenchel, Guter Heinrich, Ewiger Kohl…), und natürlich alle (Obst-)Sträucher!
Auch kann bei ausgefeilter Folgepflanzungsplanung – die allerdings schon einiges an gärtnerisches Können erfordert - das Gemüse selbst die bodendeckende Funktion übernehmen: dann wächst immer schon unter der aktuellen Kultur bereits die nächste heran.
3. Anreicherung mit organischer Materie fördern
Die gängige Vorstellung, dass 5% organische Materie im Boden für gutes Pflanzengedeihen ausreichend ist, stammt aus der Denkweise der chemisch-industriellen Landwirtschaft. Ein guter Boden enthält viel höhere Anteile organische Materie und schafft damit ein nahrungsreiches, schwammähnliches Milieu für die dauerhafte Ansiedlung eines vielfältigen Bodenökosystems, das sich an wechselnde Umweltbedingungen und Nährstoffanforderungen der Pflanzen elegant anpassen kann.
In der Natur geschieht dies auf zwei Wegen: einerseits durch Ansammlung abgestorbener Pflanzen an der Oberfläche, andererseits durch deren Wurzelsysteme, die nach ihrem Vergehen im Boden verbleiben und dort direkt an Ort und Stelle zersetzt werden.
Wer die ersten zwei Tipps befolgt, ist bereits auf bestem Weg, die Anreicherung mit organischer Materie voran zu treiben!
Zusätzlich kann dieser Prozess mit dem gezielten Einarbeiten von Pflanzenmaterial in den Boden beschleunigt werden. Dabei wird im Herbst ausnahmsweise der Boden ein allerletztes Mal zur Untermischung von kohlenstoffreichem Herbstlaub oder Häcksel umgegraben.
Der Boden wird sofort physikalisch durchlässiger und erleichtert das Durchwurzeln, das wiederrum weitere organische Materie in den Boden bringt und den natürlichen Kreislauf des Werdens und Vergehens in Gang setzt.
Mit entsprechend natur-affiner Pflege gewinnt dieser Prozess zunehmendes Momentum. Dann heißt es, geschehen lassen, und die Früchte der entstandenen Kooperationen genießen!
Der Blick aufs Ganze
Es beginnt ganz im Kleinen, mit den Lebewesen im Boden und ihrer Interaktion mit den Pflanzen:
Indem wir den vollen Kreislauf der Pflanzenernährung geschehen lassen, können wir so viele Probleme lösen! Schaffen wir überall, wo wir in die Natur eingreifen, die Bedingungen, die dies erlauben, können wir:
· Den Nährwert unserer Nahrung wieder erhöhen
· Klimawandel mehrfach einbremsen:
Kühlung und Luftfeuchtigkeit bei Hitzewellen
Aufnahme von Wasser bei Starkregen und Speicherung für trockenere Zeiten
und damit Aufstockung des Grundwasserspiegels
Kohlenstoffsequestrierung im Boden
· Energieaufwand bei der Lebensmittelproduktion markant reduzieren
· Biodiversität stabilisieren und wieder herstellen..
· und so vieles mehr!
Wie der in der Permakultur zum geflügelten Wort gewordene Spruch besagt:
“All the world’s problems can be solved in a garden”
– Bill Mollison
Nathalie Sequeira: Ökologische Grünraumpflege, Soil Food Web Labortechnikerin, Consultant i.A. Nathalie Sequeira hat praktisch täglich ihre Hände in der Erde. Im Rahmen der Soil Food Web Ausbildung erfolgt eine intensive Beschäftigung mit den Bodenlebewesen und ihrem Beitrag zu gesunden, fruchtbaren Böden. Als Gemeinschaftsgärtnerin sorgt sie mit ihrem Team im Garten für Kompostierung und gesundes Bodenleben.