Regional, biologisch und selbstangebaut mit Freude – unser Gemüse aus dem Gemeinschaftsgarten
Wer einen eigenen Garten vor der Haustür hat, konnte sich in den vergangenen Wochen der Ausgangsbeschränkungen glücklich schätzen - ein Ort zum Aufatmen und Seele baumeln lassen. Die Beete, Rasen und Hecken sind vielerorts so gepflegt wie kaum zuvor. Auch in den 30 Gemeinschaftsgärten in Tirol hat sich der Frühling trotz Corona-gebotenem Stillstand nicht aufhalten lassen. Doch viele Gemeinschaftsgärten mussten ihr Pforten geschlossen halten und die Mitglieder ihre Gartentätigkeit vorerst auf das Vorziehen von Gemüsepflanzen und Kräutern auf der Fensterbank verlegen.
Rund 750 Haushalte in Tirol versorgen sich mit eigener Ernte aus den Gemeinschaftsgärten, wie eine aktuelle Umfrage der Servicestelle Gemeinschaftsgärten Tirol ergab. Von Seiten der Politik wurde stets betont, dass es zu keinen Versorgungsengpässen bei Lebensmitteln kommen würde. Da Italien vom Coronavirus lahmgelegt und unsere Grenzen geschlossen wurden, drängte sich trotzdem die Frage auf: wie überlebensfähig sind wir eigentlich ohne Lebensmittel und ohne Erntehelfer aus dem Ausland? Die kolportierten Zahlen zum Selbstversorgungsgrad in Tirol weisen vor allem bei Milchprodukten einen Überschuss aus, im Gemüsebereich sind wir jedoch stark auf Importe angewiesen.
„Versorgungsarbeit und die regionale Lebensmittelerzeugung haben in den ergangenen Wochen einen anderen Stellenwert bekommen“, ist sich Petra Obojes-Signitzer von der Servicestelle Gemeinschaftsgärten Tirol sicher. Und diese liegen nicht nur in den Händen der Bauern und Landwirte, sondern auch in den Anstrengungen und Freuden der Hobbygärtner. Das ist unter anderem an den gestiegenen Mitgliederzahlen unter den Innsbrucker urban gardeningProjekten erkennbar. Christoph Klocker vom Verein freipflanzen meint: „Ab Beginn der Ausgangsbeschränkungen trafen täglich Anfragen für freie Beete ein. Die zwei freipflanzen Gärten sind jetzt voll und wir müssen laufend weitere Anfragen abweisen. Obwohl wir für neue Mitglieder kein gemeinsames Starttreffen mit Einführung in den Garten machen konnten, funktionierte die Gartenöffnung sowie der bisherige Betrieb mit speziellen Sicherheitsvorkehrungen gut!“
Egal ob nur 3 Gärtner/innen oder mehr als 100 in einem Gemeinschaftsgarten anbauen – sie alle vereint der Wunsch nach Selbstversorgung mit biologischen, qualitativ hochwertigen Lebensmitteln. Für viele tragen die selbst geernteten Feldfrüchte in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen auch zur Entlastung des Haushaltsbudgets bei. Hinzu kommen positive gesundheitliche Aspekte und ein grünes Lern(um)feld für Groß und Klein. Schon der britische Schriftsteller Alfred Austin sagte: „Das Herrliche an der Gartenarbeit: Die Hände in der Erde den Kopf in der Sonne das Herz bei der Natur. Bei der Gartenarbeit nährt man nicht nur den Körper, sondern auch die Seele.“ Wer keinen eigenen Garten hat findet im Gemeinschaftsgarten diese Möglichkeit.
Anna Radtke vom Gemeinschaftsgarten Wir im Garten Wipptal in Mühlbachl erklärt warum ihr der Nachbarschaftsgarten gerade in den vergangenen Wochen besonders wichtig wurde: „Homeoffice… und dann die Befreiung nach getaner Arbeit: Garten. Raus. Buddeln, werkeln, räumen, schneiden. Man hat das Gefühl etwas zu schaffen. Mehr als bei der Computerarbeit. Man sieht Ergebnisse, fühlt sich erschöpft - nur das bringt den Schlaf... Und Rückenweh vom Kompostschöpfen ist doch irgendwie sympathischer als Rückenweh vom Computersitzen!“
Inzwischen müssen sich auch die Verantwortlichen der sieben großen gemeinschaftlichen Anbauinitiativen in Tirol, die mit insgesamt 830 Mitgliedern 27.000m² Fläche bewirtschaften, nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, wie sie notwendige Pflege- und Instandhaltungsarbeiten im Garten organisieren und die ungeduldig abwartenden Mitglieder verströsten. Es gibt ausreichend Platz, dass Abstandsregeln eingehalten werden können wobei sich die Anwesenheit in den Gemeinschaftsgärten im Normalfall ohnehin zeitlich über den ganzen Tag und die Woche hinweg verteilt, sodass es zu keiner Gruppenbildung kommt.
Gemeinschaftsarbeiten, Gartenbesprechungen und Sommerfeste – also jene gemeinschaftlichen Aktivitäten, die Gemeinschaftsgärten als Orte der Begegnung und Nachbarschaftlichkeit auszeichnen, müssen jedoch weiterhin eingeschränkt (max. 10 Personen) oder überhaupt ausgesetzt werden. Doch wie eine Anna dazu meint: „Den Obstbäumen beim Knospen aufspringen zuschauen, den Tulpen, den Pfingstrosen: vom Nichts bis zur Blütenknospe in nur 24 Stunden völlig unbeeindruckt vom eingeschränkten Betrieb im Garten. Jeden Tag geht etwas vorwärts und erinnert einen daran, dass auch diese Coronazeit ein Ende haben wird.“
Dankenswerterweise hat die Tiroler Tageszeitung auf die Presseaussendung reagiert und am 7. Juni in der Sonntagsausgabe der folgenden Artikel veröffentlicht: