Ein chronologischer Rückblick auf die Entstehungsgeschichte in herausfordernden Zeiten

Im Frühling 2020 ist die Gemeinschaftsgarten Landschaft Südtirols um ein fruchtbares gemeinschaftliches Projekt bereichert worden – in der Stadt Sterzing blühte der Gemeinschaftsgarten „Custoza“ auf. Die Vorbereitungen dafür hatten bereits 2019 begonnen, die eigentliche Gartengründung erfolgte im April/Mai 2020 während der Zeit der ersten COVID-19 bedingten Einschränkungen! Wer selbst in der Gründungsphase eines Gemeinschaftsgartens mitwirken durfte weiß, welche Herausforderungen sich hier stellen – umso bemerkenswerter und gleichzeitig hoffnungsvoll ist es, wenn in diesen Zeiten trotzdem derartige Projekte gelingen!

Doch der Reihe nach - ein Blick zurück ins Jahr 2019 eröffnet uns die Vorgeschichte, der eine grenzüberschreitende Kooperation zwischen Süd- und Nordtirol im Rahmen eines EU-Projektes zugrunde liegt.

Das Tiroler Bildungsforum (TBF) mit der Servicestelle Gemeinschaftsgärten (Mag. Petra Obojes-Signitzer) hat dazu das Interreg-Projekt „Essbare Gemeinden & Gemeinschaftsgärten im Wipptal“ mit der Südtiroler Stadt Sterzing und der Nordtiroler Gemeinde Mühlbachl konzipiert. Ein Teilbereich dieses Projektes war die Begleitung der Planung und Errichtung eines Gemeinschaftsgartens in Sterzing (als Erweiterung bereits bestehender Elemente einer essbaren Stadt Sterzing), wobei es hier innerhalb der Stadtpolitik mit Vizebürgermeisterin Christine Eisendle-Recla und Stadtrat Markus Larch zwei überaus engagierte Proponenten des Projekts gab. In einem ersten Treffen im April 2019 zwischen dem TBF sowie der Stadt Sterzing wurden vorab die grundlegenden zu berücksichtigenden Punkte für die Errichtung eines Gemeinschaftsgartens besprochen und ein grober Zeitplan sowie Zuständigkeiten festgelegt.

Grundstücksfindung: Stadt stellt Brache als Zwischennutzung zur Verfügung

Zu Beginn braucht jedes Gemeinschaftsgartenprojekt mit Sicherheit eines –  ein geeignetes Grundstück! Die Stadt Sterzing stellte ein brach liegendes Baugrundstück im Südosten der Stadt - unmittelbar angrenzend an den in weiterer Folge namensgebenden „Custoza-Bühel“ - zur Verfügung. Diese „Brache“ ist mittelfristig für Wohnbauzwecke vorgesehen, wobei auf jenem Teilstück, auf dem der Gemeinschaftsgarten Platz findet, ein Baustart jedenfalls nicht innerhalb der nächsten 10 Jahre erfolgen soll. Trotzdem bleibt hier ein kleiner Wehrmutstropfen – das Projekt ist somit wie viele andere Gemeinschafsgärten auch als Zwischennutzung angelegt.

Der rot markierte Teil zeigt das für den Gemeinschaftsgarten verwendete Grundstück aus der Google Maps Vogelperspektive
So sah das Grundstück im Juli 2019 aus, es wurde bereits ein Teil maschinell vorbereitet. Im Hintergrund der "Custoza-Bühel", der für den Gemeinschaftsgarten namensgebend wurde.

In weiterer Folge sollte eine geeignete Gruppe von interessierten Menschen gefunden werden, wobei hier vorerst in den zahlreichen an das Grundstück angrenzenden Wohnungen ein Aushang erfolgte – die räumliche Nähe zu einem Gartenbeet in einem Gemeinschaftsgarten ist ein großer Vorteil. In weiterer Folge wurden auch sonstige Kanäle wie Printmedien, WhatsApp Gruppen oder auch einfach nur Mundpropaganda für die Bekanntmachung genützt. Melden konnten sich alle Interessierten direkt in der Stadtverwaltung, welche diese in weiterer Folge über etwaige Treffen und Entwicklungen informierte.

Gründungsbegleitung durch TBF im Rahmen des EU-Projektes

Bei den nun anstehenden organisatorischen Aufgaben erfolgte im Rahmen des erwähnten EU-Projektes eine Begleitung der Stadt Sterzing. Auf Seiten des TBF übernahm dies Christoph Klocker (im Raum Innsbruck bei der Gründung verschiedener Gemeinschaftsgärten und mehrere Jahre als Gartenkoordinator beim Verein freipflanzen tätig). Auch wenn jeder Gemeinschaftsgarten für sich ein Unikum darstellt und meist durch die mitgartelnden Menschen geprägt wird, gibt es doch eine Reihe von Fragestellungen, die praktisch jeder Garten – in Abhängigkeit zur geplanten Größe und Teilnehmerzahl - zu Beginn klären sollte. Hier eine Auswahl dieser Fragen, welche langfristig gesehen die Struktur und Funktion eines Gartens nachhaltig beeinflussen können:

* Gibt es nur individuelle Beete oder auch Gemeinschaftsbeete/-flächen?
* Wie groß sind die Beete? Wie sind sie voneinander abgeteilt (z.B. Schnur, Brett)
* Welches Wegesystem gibt es? Wer pflegt dieses?
* Wo werden Gartengeräte untergebracht (wetterfest und abschließbar)?
* Welche Gartengeräte werden benötigt, wer organisiert/kauft diese?
* Wer führt nötige Reparaturen durch?
* Gibt es einen Wasseranschluss? Regenwassersammlung? Feuchtbereiche?
* Ist ein eigenes WC notwendig? Komposttoilette? "Dixi-WC"?
* Braucht es eine Einzäunung des Grundstücks? Gartentor bzw. Eingangstüre?
* Wie ist die Zufahrt zum Garten möglich? Radabstellmöglichkeiten & Parkplätze?
* Wie wird vorab die Nachbarschaft informiert (Vermeidung von Konflikten)?
* Welche Regeln gelten für die Gartenbenützer – schriftliche Gartenordnung?
* Welche Vereinbarung gibt es zwischen Teilnehmern und Grundstücksbesitzer?
* Welche Kosten kommen auf die teilnehmenden Gärtner*innen jährlich zu?
* Wer trägt/organisiert den Garten in weiterer Folge nach der Startphase?

Abhängig von den vorhandenen Ressourcen (Zeit, Kapital etc.) ist die Bewältigung dieser Aufgaben bereits ein nicht zu unterschätzender Schritt am Weg zu einem Gemeinschaftsgarten - mit denen  Gemeinschaftsgarten-Initiatoren zu Beginn oft nicht in diesem Ausmaß rechnen. Zu berücksichtigen ist auch, dass oftmals rechtliche Rahmenbedingungen einen erheblichen Einfluss auf die Antworten dieser Fragen haben können (bspw. welche Form/Größe eines Garten-/Gerätehäuschens ist überhaupt erlaubt).

Bei mehreren Treffen in Sterzing – sowohl am Gartengrundstück als auch in der Stadtverwaltung – konnten in der Folge einige offene Fragen in Richtung Gartenstart gelöst werden. Es gab bereits eine kleine Gruppe an Interessierten (die einen Start schon fast nicht mehr erwarten konnte), mit denen in weiterer Folge auch bereits die schriftlichen Regelungen (Gartenordnung) besprochen wurden. Für das Grundstück wurde durch die Stadtverwaltung eine erste Planung durchgeführt, die bereits die späteren Beete enthielt. So konnten sich die ersten Interessenten quasi exklusiv ihr künftiges kleines Gartenparadies sichern. Der Boden wurde in Teilbereichen erstmalig maschinell bearbeitet und es wurde überlegt, diesen noch mit Komposterde zu Versorgen. Zur Kommunikation innerhalb der Gruppe wurde bereits eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet.

Gut Ding braucht Weile...


Nicht alle der zu lösenden Fragen konnten jedoch in dem Tempo geklärt werden, das eine Gartenöffnung noch im Jahr 2019 möglich gemacht hätte. Es gibt in der Natur eben auch Samen, welche eine längere Keimdauer besitzen und nicht binnen Tagen gen Himmel wachsen – was im Hinblick auf ein nachhaltiges Wachstum mit einer guten Verwurzelung sicher kein Nachteil ist… So war von Seiten der Interessenten-Gruppe jedenfalls noch Geduld gefragt und es ging mit der Hoffnung eines Starts im Frühjahr 2020 vorerst in die Winterruhe.

Damit dieser Start gut vorbereitet funktionieren kann erfolgte bereits im Februar 2020 ein weiteres Planungstreffen des TBF mit der Stadt Sterzing, wo aufbauend auf den umfangreichen Vorbereitungen 2019 eine Planung der weiteren notwendigen Schritte erfolgte. Einerseits war am Grundstück selbst noch einiges zu organisieren (bspw. Gerätehäuschen und Gartengeräte, Zaun, Wasseranschluss etc.), andererseits sollte die Gruppe – welche auch noch erweitert werden konnte/sollte – rechtzeitig mittels Veranstaltungen und kleineren Workshops auf das weitere Gemeinschaftsgartenleben vorbereitet werden.

Kein Gemeinschaftsgarten ohne erlaubte gemeinsame Arbeiten/Kontakte... :-(


Der März 2020 hielt dann für alle ein unvorhersehbares Ereignis bereit: die weltweite Pandemie mit dem Virus SARS-COV-2 stellte innerhalb weniger Tage sämtliche Planungen auf den Kopf. Es kam zu massiven Einschränkungen der Bewegungs- und Kontaktfreiheit, welche die geplanten gemeinsamen Veranstaltungen zur Vorbereitung des Gartenstarts rechtlich unmöglich machten. Die Brennergrenze war zu einem unüberwindbaren Übergang geworden, das TBF konnte nicht mehr vor Ort in Sterzing unterstützen - sondern bestenfalls noch telefonisch oder per Mail.

In dieser schwierigen Zeit zeigte sowohl das Team der Stadt Sterzing (v.a. Christine Eisendle-Recla und Markus Larch sowie Claudia Haller) als auch die Interessenten-Gruppe den starken Willen, auch unter den erschwerten Umständen einen raschen Gartenstart möglich zu machen. Sobald es erste Lockerungen der COVID-19 Einschränkungen gab, wurden diese für die nötigen Arbeiten im Garten genützt. Im Laufe des Mai 2020 konnten so bereits die ersten Beete von den Gärtner*innen bezogen werden! Viele der organisatorischen Dinge konnten innerhalb der WhatsApp Gruppe „besprochen“ und geklärt werden, hier überschlugen sich die Nachrichten und Fotos aus dem Garten geradezu... Dass es kein leichtes Unterfangen war ohne Gruppentreffen wo grundlegende Dinge besprochen werden konnten zu starten muss nicht extra erwähnt werden.

Mit einer unterschriebenen Nutzungsvereinbarung zwischen jedem einzelnen Teilnehmer und der Stadt wurde auch die letzte formale Hürde noch genommen und so konnte der Garten – leider ohne ein Eröffnungsfest – trotz der herausfordernden Zeit gestartet werden.

Weitergehende Lockerungen und die Grenzöffnung am Brenner führte schließlich im Juli zu einem Treffen im Garten mit einigen der Gärtner*innen, den Vertretern der Stadt sowie Christoph vom TBF. Ziele waren die erste durchaus schwierige Startphase nochmals im Rückblick zu betrachten, die erfolgreich umgesetzten Schritte zu beleuchten, offene Punkte und Probleme zu sammeln und zu guter Letzt auch den lauen Sommerabend zu nützen, um in geselliger Runde endlich bei einer kleinen Marende auf den gelungenen Gartenstart anzustoßen!

Die Sommermonate wurden dazu genützt, weitere noch offene Planungselemente umzusetzen und sowohl die individuellen als auch gemeinschaftlich genützten Beete zu bepflanzen, pflegen und natürlich auch zu beernten. Die Natur hatte einmal mehr gezeigt, dass sie uns unabhängig unserer zeitlichen Vorstellungen und vermeintlichen Notwendigkeiten ("...ich muss unbedingt noch jetzt Dies & Das setzen, sonst wird es nichts mehr") mit ausreichend Feldfrüchten versorgt! Neben den Gemüsepflanzen spielten aber von Anfang an auch Blumen, Kräuter sowie Beerensträucher eine Rolle. Der Garten sollte nicht nur den Mitgliedern gesunde Lebensmittel liefern, sondern auch für die Insektenwelt und Kleintiere wie Igel ein vielfältiges Zuhause bieten. Vieles darf so wachsen und ausblühen, wie es die Natur vorsieht.

Herbstplanung mit Veranstaltung & Workshops

Nach einem weiteren Garten-Besuch durch das TBF im September 2020 und einem Treffen mit den Vertretern der Stadt erfolgten schließlich die finalen Planungen für den Herbst und den Abschluss des gemeinsamen Projektes der Gartengründungsbegleitung. Dafür wurde ein weiterer Workshop-Nachmittag geplant (u.a. sollte das Thema Kompostierung behandelt werden) und auch ein Erntedank-Fest wurde angedacht.

Doch die steigenden COVID-19 Fallzahlen und damit verbundene Restriktionen verhinderten leider auch diese Veranstaltungen! Dazu hätte auch ein gemeinsamer Besuch eines Nordtiroler Gemeinschaftsgartens in Mühlbachl gezählt - dieser wird jedoch voraussichtlich 2021 nachgeholt werden. Das Ende der ersten Saison ähnelte so etwas dem Beginn im Frühjahr – ein Gemeinschaftsgarten ohne die Möglichkeit gemeinsamer Aktivitäten ☹

Trotzdem konnte der Garten mit einem guten Gefühl für die Saison 2021 in den Winter gehen, die geschaffenen Strukturen und die tolle Gruppe mit sehr engagierten und enthusiastischen Gärtner*innen werden dafür sorgen, dass anstelle der wenig ansehnlichen „Brache“ für die nächsten Jahre eine blühende Oase der Vielfalt die Nachbarschaft und hoffentlich die gesamte Stadt Sterzing erfreuen wird. Und wer weiß – vielleicht kann sich der Garten so verwurzeln, dass künftige Wohnprojekte auf diesem Grundstück gar nicht anders können, als diesen in ihre Planungen mit einzubeziehen!

Kontakt & Mitmachen

Wer sich für den Garten interessiert und ev. auch noch mitgarteln möchte kann sich bei der Stadt Sterzing unter folgender Mailadresse melden: gemeinschaftsgarten@sterzing.eu